Monica Lierhaus: “Ein Wunder, dass ich noch lebe.”
Exklusiv
Monica Lierhaus Interview
· Ein Wunder, dass ich noch lebe
· Jeder Tag ist harte Arbeit – für meinen Körper, für meine Seele
· Ich war zweimal klinisch tot
· Ich will und darf nicht aufgeben
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Daten: Geboren 25. Mai 1970, Hamburg. Erfolgreiche Sport-Moderatorin. Januar 2009 Hirn-Aneurysma-Operation. Ein Aneurysma ist eine sackartige Erweiterung eines Blutgefäßes. Ohne OP besteht Gefahr, dass Blutgefäß platzt. Folge: Blutungen im Gehirn, lebensgefährlicher Hirndruck. Monica Lierhaus lag nach dieser OP vier Monate im Koma. Danach musste sie wieder alles neu lernen: Essen, Sprechen, Laufen. Monica Liehaus lebt in Hamburg mit TV-Produzent Rolf Hellgardt zusammen.
-Januar 2014
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Interview:
Frau Lierhaus, wie geht es Ihnen?
Gut, sehr gut, obwohl die Fortschritte im wahrsten Sinne des Wortes manchmal nur Mini-Schritte sind. Aber ich will und darf nicht aufgeben. Jeder Tag ist harte Arbeit. Diese heißt, dass ich jeden Tag vier bis fünf Einheiten absolviere. Also je eine dreiviertel Stunde Physio-Therapie und Logopädie. Manchmal klappt alles sehr gut, manchmal nicht so gut.
Aber Sie haben schon sehr gute Fortschritte gemacht. Ihre Aussprache ist perfekt…
Oh, Dankeschön. Ich will mich ja auch nicht beklagen. Darüber und dass ich überhaupt noch lebe, bin ich natürlich sehr dankbar. Ohne dem tollen Ärzte- und Betreuungs-Team, meiner Familie, Freunde und Bekannte und ganz besonders meines Lebenspartners Rolf Hellgardt, wäre ich bestimmt noch nicht so weit wie jetzt.
Ihr Leben hing an einem seidenen Faden…
Ja, die Ärzte sagten damals nach der OP, dass ich wahrscheinlich die Nacht nicht überleben werde. Später habe ich erfahren, dass ich zweimal klinisch tot war. Erst nach acht Wochen stellte sich dann die erste Hoffnung ein. Und vier Monate später bin ich ja dann aus dem Koma erwacht.
Sie mussten alles wieder neu erlernen…
Ja. Essen, wieder richtig Sprechen. Sitzen, laufen – alles. Und alles klappt eben immer noch nicht so wie ich möchte. Zu manchen Übungen muss ich mich auch sehr zwingen und habe ehrlich gesagt oft genug keine Lust darauf. Nur die Reit-Therapie ist unglaublich schön. Sobald ich auf dem Rücken eines Pferdes sitze, entspannt sich alles, entspanne ich mich.
Aber belastet nicht gerade Reiten den Rücken?
Ich mache ja keinen Pferde-Rennsport. Nein, es ist so. Gerade der Rücken ist ein Teil meines Körpers, der so uneinschätzbar ist. Dann habe ich plötzlich Schmerzen, die mich dann auch wieder ärgern, weil ich sie nicht verstehe. Oft wenn ich liege. Dann weiß ich nicht, wie ich liegen soll. Dann drehe ich mich hin und her und es wird doch nicht besser.
Das sind bestimmt schlimme Momente. Auch für die Seele…
Ja. Und ehrlich gesagt, habe ich dann schon mal einen Hänger. An manchen Tagen will ich dann gar nicht aufstehen und hadere dann schon etwas mit mir und allem und überhaupt. Aber wenn mich dann mein ganzes Umfeld motiviert, meine Schwester, meine Eltern, mein Rolf. Dann reiße ich mich doch zusammen. Aufgeben gilt nicht.
Sehr tapfer…
Ach, es gibt so viele Schicksale, die ich ja ganz besonders im Krankenhaus und in der Reha-Klinik gesehen habe. Ganz besonders, wenn es kleine Kinder sind. Und was glauben Sie, wie unglaublich tapfer die sind. Respekt, Hochachtung. Da relativiert sich sofort bei mir der eigene Hänger. Da schäme ich mich dann sogar etwas über mich selbst.
Trotzdem haben Sie sich einen größeren Fortschritt erhofft?
Natürlich erhofft man sich immer mehr. Das ist ja auch gut so, denn Hoffnung motiviert ja. Ohne Hoffnung hätte ich schon längst aufgegeben. Zum Glück bin ich aber von Haus aus auch immer realistisch gewesen. Auch jetzt. Ich kann schon sehr realistisch einschätzen, was möglich ist oder nicht.
Was bereiten Ihnen die größten Schwierigkeiten?
Die Körper-Koordination, mein eigenes Kraft-Potential. Zum Beispiel wenn ich versuche vom Boden aufzustehen. Das kostet sehr viel Konzentration und Kraft. Das ist je nach Tagesform ein Kraft-Akt. Das ist dann auch harte Arbeit für die Seele. Da gilt nur noch der Satz: Ich will, ich will, ich will. Ich muss, ich muss, ich muss. Es wird, es wird, es wird.
Und dann klappt es?
Manchmal ja, manchmal nein. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass ich mein Bestes gegeben habe, so ist das dann auch okay. Das ist ja wie beim Sport oder in anderen Lebenslagen. Man kann nicht immer gewinnen, aber man hat sein Bestes gegeben. Überhaupt motiviert mich Sport in allen Bereichen.
Schließlich waren Sie ja mal eine Top-Sportmoderatorin..
Ob ich top war, weiß ich nicht. Aber es war und ist immer noch meine große Leidenschaft. Da möchte ich beruflich auch wieder hin. Wenn es mit der Moderation noch nicht so möglich ist, dann vielleicht mit anderen Möglichkeiten. Zum Beispiel nächstes Jahr etwas für die Fußball-Weltmeisterschaft zu tun, zu arbeiten, involviert zu sein.
Schön. Ein festes Ziel motiviert ja immer…
Ja, und ich finde, man darf sich Ziel ruhig höher stecken. Als ich damals weder sprechen, noch richtig essen, noch laufen konnte, war das Ziel alles wieder neu zu erlernen eigentlich fast utopisch. Und so gesehen habe ich wirklich schon gute Ziele erreicht. Auch wenn alles eine Zeit dauert. Ich habe ja noch viel Leben vor mir.
Entschuldigen Sie den Satz, aber Sie sind zum Glück geistig sehr fit…
Ich weiß schon was Sie meinen. Ja, die Gefahr bestand natürlich auch. Dass meine Gehirnfunktion, mein Verstand nach der OP geschädigt war. Aber da hatte ich wirklich Glück und bin auch aufrichtig dankbar dafür. Und gerade deshalb möchte ich wieder zurück in meinem Beruf.
Zum Beispiel als Fußball-Expertin…
Das war ja das Schöne damals. Hobby und Leidenschaft eins mit dem Beruf. Auch heute verpasse ich nicht ein Fußballspiel. Nach den Therapie-Stunden vor dem Fernseher sitzen – das sind dann meine Glücks-Momente. Dann fiebere ich mit oder analysiere oder moderiere innerlich.
Schön ist auch, dass Ihre Liebe gehalten hat…
Ja, auch das ist nicht selbstverständlich. Mein Mann, ich sage ja eigentlich auch immer mein Mann, obwohl wir ja nicht verheiratet sind, hat wirklich eine harte Bewährung durchmachen müssen. Immer noch. Das schafft nicht jeder. Laut Statistik kommt es nach den ersten sechs Monaten oft zu einer Trennung.
Viele fragen sich bei Schicksals-Schlägen: Warum ich? Warum ist es mir passiert?
Das könnte man sich fragen – ja. Das fragt man sich in schwachen Momenten vielleicht auch. Aber es würde keine Antwort darauf geben. Deshalb habe ich mich nicht so sehr damit befasst. Ich schaue nach vorne. Ich denke positiv. Vielleicht weil ich auch früher schon immer positiv veranlagt war. Es kann ja alles nur besser werden. Sehr viel besser…
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