Marika Rökk: Interview mit Tochter Gabriele
Marika Rökk
Interview mit Tochter Gabriele Jacoby
· Ich vermisse meine Mutter sehr
· Meine Mutter hat ihr Leben geliebt
· Ja, sie war streng – aber liebevoll streng
· Sie ist zufrieden aus dem Leben gegangen
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Frau Jacoby, Ihre Mutter Marika Rökk wäre am 3. November 100 Jahre alt geworden…
Damals dachte ich auch, dass sie bestimmt 100 Jahre alt wird. Sie ist jedoch im Mai 2004 mit 90 Jahren gestorben. Aber auch das ist ein stolzes Alter. Zumal sie keine Schmerzen hatte und alles sehr schnell ging. Herzversagen. Sie hat nicht geahnt, dass sie sterben wird. Also keine Vorahnung, was man ja manchmal hat.
Wie waren die letzten Lebenstage Ihrer Mutter?
Natürlich war sie nicht mehr so fit. Sie hat sich auch sehr zurück gezogen aus der Öffentlichkeit. Ihr letzter Auftritt war mit 79 Jahren. Da hat sie noch einmal das ganze Programm hingelegt. Mit fast 80 Jahren. Auch eigentlich unglaublich. Aber so war sie: Entweder alles richtig und gut, oder gar nicht.
Kam dann die Wehmut? War Ihre Mutter ohne Bühne dann traurig?
Nein. Sie hat weder gejammert noch pausenlos über ihr Berufsleben geredet, was ja ältere Stars dann immer gerne tun. Das meine ich nicht negativ. Gerade erfolgreiche Menschen haben auch später das Recht darüber zu erzählen oder zu jammern. Aber meine Mutter war da sehr sachlich und realistisch. Sie war bis zum Schluss positiv.
Hatte Ihre Mutter Angst vor dem Tod?
Nein, überhaupt nicht. Sie hat immer gesagt, dass der ja kommen muss. Darüber zu grübeln wäre sinnlos. Sie ist zufrieden aus dem Leben gegangen. Sie hatt immer gesagt, dass sie ein glückliches Leben hatte. Dass sie gar nicht mehr erwarten durfte. Ich habe ja alles, waren ihre Worte. Genieße jeden Tag so wie er ist – und gut ist.
Angeblich war Ihre Mutter sehr streng zu Ihnen…
Streng ist ein abstrakter Begriff. Insofern war sie streng, dass sie auf mich aufgepasst hat, mich beschützen wollte, mir Disziplin, Werte und Respekt vor jeden Menschen beigebracht hat. Meine Mutter war liebevoll streng. Wir konnten über alles reden. Überlege Dir, was Du tust, hat sie mir immer gesagt.
Stört es Sie, immer auf Ihre Mutter angesprochen zu werden, verglichen zu werden?
Ich kenne es ja nicht anders. Das begleitet mich ja mein ganzes Leben. Viele sagen ja auch, dass wir viel Ähnlichkeit hätten. Und je älter ich werde, umso mehr gemeinsame Charakterzüge erkenne ich. Vor kurzem habe ich mir alte Fotos angeschaut. Bei einigen Jugend-Fotos wusste ich erst gar nicht, ob ich oder meine Mutter es ist.
Welche gemeinsamen Charakterzüge erkennen Sie?
Wenn nicht gleich etwas gelingt, nicht aufgeben. Aber auch nicht darüber meckern. Es wird schon, Du musst es nur noch einmal oder mehrmals probieren, war die Devise. Wir haben auch das gleiche Energie-Potential. Also Dinge sofort anzupacken. Ich bin ja auch nicht mehr die Jüngste, aber voller Energie. Meine hatte bis zum Tod noch unglaublich viel Power.
Auch Sie wurden Tänzerin und Sängerin…
Musical-Darstellerin nennt man das. Meine Mutter hat mich damals übrigens nicht gedrängt, es zu tun. Im Gegenteil, sie hat mir die negativen aber auch positiven Aspekte genau erklärt. Und natürlich musste ich damit leben, eben die Tochter von Marika Rökk zu sein. Aber ich habe es angenommen.
Und nicht bereut?
Nein, ich liebe meinen Beruf. Zum 100. Geburtstag meiner Mutter gibt es ein Hommage-Bühnenstück. Ich war auch nie neidisch auf meine Mutter. Im Gegenteil. Ich bin sehr glücklich und stolz, dass ich so eine Mutter haben durfte. Das verkläre ich jetzt auch nicht. Ich weiß, dass schon oft anderes geschrieben wurde. Das stimmt einfach nicht.
Welche besondere Erinnerung haben Sie an Ihre Mutter?
Als meine Mutter mich nach meiner ersten Scheidung aufgefangen hat. Sie ist mit mir für zwei Wochen nach Griechenland gefahren. Abschalten, Urlaub. Wir hatten ein gemeinsames Zimmer und waren uns so nah wie nie. Ich sehe sie immer noch vor mir, wie sie mit einem Handtuch durchs Zimmer getobt ist, um irgendwelche Viecher zu vertreiben. Herrlich.
Noch eine Erinnerung?
Als ich mit 19 Jahren eine verpfuschte Blinddarm-Operation hatte. Mein Leben hing am seidenen Faden. Ich wurde dann nochmals zweimal operiert. Meine Mutter hat vor Angst gezittert. Da habe ich ihre unendliche Liebe gespürt. Auch wenn sie früher in meiner Kindheit oft beruflich weg war, sie war trotzdem immer für mich da.
Wer hat dann auf Sie aufgepasst?
Ich war oft bei meinen Großeltern. Als meine Mutter mich einmal nach einem längeren Film-Dreh abholen wollte, war ich bockig und wollte nicht mit. Später hat mir meiner Mutter erzählt, wie es ihr das Herz zerrissen hat. Überhaupt hat sie, typisch Mutter, Besuchern gegenüber immer Kinderfotos gezeigt, Geschichten erzählt.
Sie wohnen jetzt im Haus Ihrer Mutter bei Wien..
Ja, wobei das Haus ein Fass ohne Boden ist. Damals hatte meine Mutter vierzig Jahre lang nichts daran gemacht. Der Witz ist, dass viele ja denken, dass ich als Tochter von Marika Rökk in Geld schwimme Dem ist aber nicht so. Außerdem geht jeder übrige Cent in meine Tierstiftungs-Hilfe.
Sie haben den Nachlass Ihrer Mutter verkauft…
Verkauft hört sich so nach viel Geld an. Nein, das Berliner Film-Museum hat den Nachlass übernommen. Außer ein paar kleinen Erinnerungs-Stücken, habe ich eigentlich gar nichts mehr. Aber das ist in Ordnung. So ist alles zusammen geblieben, eine Einheit. Deshalb wollte ich keine Nachlass-Versteigerungs-Auktion starten.
Wenn Ihre Mutter noch leben würde, was würden Sie ihr sagen?
Dass ich sehr glücklich darüber bin, dass ich Deine Tochter sein durfte. Dass Du eine gute Mutter, Frau, Mensch warst. Dass ich Dich sehr bewundere und je älter ich werde, bestimmte Sachen noch besser verstehe. Wo Du auch jetzt immer bist, ich weiß, dass Du zufrieden bist. Ich weiß aber auch, dass Du immer bei mir bist. Ich vermisse Dich sehr.
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Oktober 2013