Klausjürgen Wussow: Sein Sohn Sascha erinnert sich / Interview
Klausjürgen Wussow
Interview mit Sohn Sascha (Alexander) Wussow
* Ich vermisse meinen Vater sehr
* Die Demenz meines Vaters war eine große Depression
* Auch ich bin manchmal schwermütig
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Sascha, in der ARD-Serie „Traumhotel“, spielten Sie einen braven Sohn…
Ja, diese Rolle hat mich sehr gereizt. Mein Film-Vater, gespielt von Peter Weck, lebt im Altersheim und verliebt sich in eine jüngere Frau, macht plötzlich verrückte Sachen. Ich versuche ihn wieder auf seine altersgerechte Senioren-Bahn zu lenken. Aber das ist gar nicht so einfach.
Dürfen sich ältere Herren nicht in jüngere Damen verlieben?
Natürlich dürfen sie. Und im wahren Leben hätte ich sicher überhaupt nichts dagegen. Schließlich ist es schön, wenn ein Mann sozusagen noch den zweiten Frühling erleben darf. Im Film bin ich sehr konservativ. Aber privat bin ich es ganz und gar nicht. Wobei natürlich Regeln wie Disziplin und Verantwortung eingehalten werden müssen.
Darauf haben Ihre Eltern Klausjürgen Wussow und Ida Krottendorf sehr viel Wert gelegt.
Ja, wobei von der Erziehung her mein Vater strenger war. Oder sagen wir so: unsere Mutter hat uns humorvoller erzogen. Und natürlich hat sie mit uns mehr Zeit verbracht, als mein Vater. Man könnte fast sagen, sie hat uns allein erzogen. Und sie hat uns sehr gut erzogen. Mit viel Liebe, Herz, Verstand und einem wunderbaren Lachen.
Sie waren bei ihr, als sie starb…
Es war ganz merkwürdig. Uns wurde gesagt, dass es mit ihr zu Ende geht. Beziehungsweise war sie schon in einem Stadium, dass wir gedacht haben, dass sie schon für immer eingeschlafen sei. Meine Schwester und ich standen an ihrem Bett und haben gesungen. Da sprang plötzlich wieder dieses Herz-Gerät an. Es war fast unheimlich.
Sie wollte noch nicht gehen?
Es war wohl eher so, dass sie uns mitteilen wollte: Ich werde für Euch immer da sein. Auch wenn mein Körper nicht mehr da ist. Aber das Herz. Mein Herz ist für Euch immer da. Und das spüre ich auch. Sie ist immer noch da. Mein Vater übrigens auch. Beide haben sich ja damals unendlich geliebt. Für beide war es damals die große Liebe. Ich vermisse beide sehr.
Die dann leider zerbrach…
Ja. Meine Schwester und ich haben ja ein Buch über unsere Eltern geschrieben. Die Basis dazu waren unter anderem auch diese vielen Zettelchen und Liebes-Briefe. Erst als wir diese einmal gründlich gelesen haben und über unsere Eltern richtig nachgedacht haben, wurde uns diese große Liebe bewusst.
Bis Ihr Vater wegen einer anderen Frau Ihre Mutter verlassen hat…
Ich möchte es weder be- noch verurteilen. Ob mein Vater danach jemals wieder so richtig glücklich war, möchte ich auch nicht kommentieren. Ich persönlich glaube, dass seine spätere Demenz eine große Depression war. Eine Flucht. Ich will mit dieser Welt, mit diesen Umständen, mit dieser Art von Leben nichts mehr zu tun haben.
Flucht vor seiner eigenen Lebens-Verantwortung?
Ja. Er wollte, konnte, mochte wohl nicht mehr entscheiden. Mit Problem-Lösungen konnte er auch zu seiner sogenannten gesunden Zeit nicht umgehen. Er war ja niemals ein radikaler Typ. Im Gegenteil. Er war sehr feingeistig, feinfühlig, intelligent und auch damals schon phasenweise melancholisch.
Schade, dass die große Liebe Ihrer Eltern kein Happy End hatte…
Hätte es vielleicht sogar gehabt. Aber dann ist ja meine Mutter gestorben. Sie ist gegangen. Sie war dann nicht mehr für meinen Vater da. Das musste vielleicht auch so sein. Ich weiß es nicht. Vielleicht ist Demenz ja auch so eine Art Krankheit um die Seele vor der bewussten Würdelosigkeit zu schützen. Also dass einem nicht mehr bewusst wird, dass es bergab geht.
Hatte Ihr Vater dieses Lebens-Ende verdient?
Insofern schon, denn er hat ja wie gesagt bewusst nicht mehr so viel mitbekommen. Glaubt man. Ich weiß es nicht. Er konnte aber schon vorher negative Dinge oder Problem-Dinge sehr gut ausschalten, verdrängen. Demenz ist ja auch eine Art Ausschalten. Eine Art Ausschalten vom Leben. Insofern war sein Lebens-Ende für ihn vielleicht auch positiv.
Haben Sie Angst selbst an Demenz zu erkranken?
Ich hatte mir Gedanken darüber gemacht – ja. Ob Demenz vielleicht vererbbar ist. Zumal ich einige Dinge von meinem Vater in mir selbst sehe. Ich habe mich lange über dieses Thema mit einem Arzt unterhalten. Inzwischen weiß ich, dass dem nicht so ist. Inzwischen weiß ich, dass eine gewisse Melancholie, Schwermütigkeit zum Leben gehört.
Auch Sie haben melancholische Phasen…
Aber ich sehe sie nicht mehr negativ. Melancholie kann ja auch Kreativität auslösen. Viele Künstler brauchen die Melancholie für ihren Kreativitäts-Schub. Na ja, das sagt sich so einfach. Aber ich merke das mit meiner Malerei ja auch. Oder ich könnte sonst wohl gar kein Schauspieler sein. Ich muss Rollen nachempfinden können.
Aber Melancholie, Traurigkeit, ist doch traurig…
Na und? Ist es schlimm, wenn man mal ab und zu traurig ist? Dann ist es eben so. Zum Glück habe ich von meiner Mutter die helle Seelen-Seite geerbt. Sie war unglaublich lustig und agil. So voller Herzens-Humor. Das habe ich wieder von ihr. Nicht umsonst scheint mein Sternkreiszeichen Waage zu sein. Es gleicht sich dann doch alles aus.
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Petra Cichos / Interview aktualisiert August 2013