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Jürgen Marcus: Feinfühlig, tiefsinnig, realistisch. Interview

Jürgen Marcus Interview

· Ich habe keine Angst vor dem Tod

· Ich habe eine Patienten-Verfügung

· Auch ich bin auf einen Immobilien-Hai reingefallen

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Herr Marcus, wie geht es Ihnen. Sie hatten ja einen schweren Schulterbruch…

Es geht mir wieder gut. Wobei ich nicht sagen möchte, dass es mir sehr schlecht ging. Vor zwei Jahren bin sehr ungünstig gestürzt. Winter, Glatteis –  da hat es mich regelrecht hin geschmissen. Der Heilungs-Prozess hat zwei Jahre gedauert. Letztendlich darf ich dankbar sein, dass es nicht das Rückrat war. So ein Sturz kann zu einem Rollstuhl-Leben führen.

Hatten Sie Angst? Todes-Angst?

Denken konnte ich in dem Moment nichts. Es hat natürlich unglaublich geschmerzt. Da denkt man nicht philosophisch über den Tod nach. Andererseits habe ich in dem Sinne keine Angst vor dem Tod. Also vor dem Fakt des Sterbens. Natürlich möchte ich nicht, dass es qualvoll enden wird. Oder unwürdig. Oder dass ich eine Last für andere werde.

Sie meinen ein Pflegefall?

Ja, aber wer möchte das schon. Ich hatte das Glück immer unabhängig zu leben und selbst über mein Leben bestimmen zu dürfen. Dies heißt natürlich auch Verantwortung über sein Leben zu übernehmen. Da ich niemand die Verantwortung meines Lebens zumuten möchte, habe ich allein schon aus Vernunft eine Patientenverfügung veranlasst.

Sehr vernünftig…

Ja, eine Patientenverfügung ist sehr wichtig. Ich möchte nie jemand die Verantwortung übergeben, dass er über Leben und Tod entscheiden soll. Ich selbst könnte es ja auch nicht. Es ist doch eine Last und man kommt in Gewissenskonflikte, so etwas Schwerwiegendes zu entscheiden. Ärzte darf man diese Entscheidung auch nicht überlassen.

Glauben Sie an ein Leben nach dem Tod?

Ich glaube nicht an ein neues irdisches Leben, sondern an ein anderes Leben nach dem Tod. Ich bin gläubig. Und ich denke mal, dass jeder Mensche eine Aufgabe hier im Leben hat. Meine war es vielleicht zu Singen, Menschen zu unterhalten, ein paar schöne Stunden zu geben, zu vermitteln.

Haben Sie Ihre Aufgabe erfüllt? Schmerzt es, wenn der Begriff Schlagerfuzzi fällt?

Ich denke, dass ich meine Aufgabe erfüllt habe. Auch unter dem Aspekt so wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus. Also wenn jemand etwas Böses tut, bekommt er Böses zurück. Ich habe großen Respekt vor dem Leben, vor jeden Menschen. Die Leute, die von Schlagerfuzzis reden, haben leider keinen Respekt.

Wie meinen Sie das?

Es tut nicht weh, wenn man als Schlagerfuzzi bezeichnet wird. Dieser Begriff ist abwertig und wertet damit auch das Publikum, die Zuhörer, die Fans ab. Mit welchem Recht? Ich singe zum Beispiel meine Lieder gerne. Es hat mir immer viel Freude bereitet. Ich habe so viele Menschen kennen gelernt, so viel Erfolg gehabt. Was möchte ich mehr?

Möchten Sie mehr? Haben Sie irgendetwas bereut?

Es hört sich banal an, aber ich möchte nicht mehr und ich habe auch nichts bereut. Ich bin wirklich dankbar, dass ich so leben durfte und immer noch darf. Ich hatte das Glück in eine Zeit geboren zu werden, als es für uns Sänger noch anders war als heute. Wie konnten damals beruflich wachsen. Heute ist das Verfalls-Datum der Super-Star-Sieger unglaublich kurz.

Würden Sie heute wieder Sänger werden wollen?

Es ist heute sehr schwierig. Der Konkurrenzkampf ist durch die vielen Sender und Medien sehr viel größer. Damals gab es zwei Fernseh-Sender, die Hit-Parade oder Ilja Richters Disco. Da gab es noch nicht so eine Überflutung an Sängern, Musik, Sendern und all das. Ein neues Gesicht, eine neue Stimme ist plötzlich da und plötzlich wieder verschwunden.

Die gute, alte Zeit…

Natürlich war es damals auch anstrengend. Und natürlich gab es auch Konkurrenz. Aber irgendwie war alles familiärer, nicht so gnadenlos. Heute müssen sich Sänger gleich am Anfang beweisen. Wir hatten damals Zeit mit dem Publikum zu wachsen. Leider kam damals die Deutsche Welle, bei der ich nicht so mit schwimmen wollte und auch nicht konnte.

Es gab eine lange Pause…

Ja, ich dachte, dass ich ja selbst produzieren könnte und habe mir ein Studio gebaut. Aber ehrlich gesagt, war und bin ich nicht der Produzent. Ich war selbstkritisch genug das einzusehen und bin dann doch wieder selbst auf die Bühne. Ich bin nun mal Sänger und habe gelernt bei diesen Leisten zu bleiben.

Es gab über Sie nie Skandale…

Ein Glück. Das entspricht auch nicht so sehr meiner Mentalität. Ich liebe ein schönes Essen daheim und unter Freunden mehr, als den roten Teppich oder Party-Veranstaltungen. Ich glaube auch nicht, dass man dadurch erfolgreicher ist. Aber das muss jeder selbst wissen. Meine Wege waren eher die friedlichen und friedvollen.

Andere Schlager-Sänger haben viel Geld durch Spekulationen verloren…

Was das betrifft, so bin ich leider auch vor Jahren in so eine Immobilien-Falle geraten. Ich hatte in Berlin ein Mietshaus gekauft. Nicht groß. Es sollte meine Renten-Absicherung werden. Der Verkäufer hatte sich allerdings von den Mietern vorab Kredite geben lassen und den Mietern versprochen, dass sie keine Miete zahlen müssen.

An so einen Betrugs-Trick denkt man ja gar nicht….

Wie wahr. Jetzt bin ich auch schlauer. Die Mieter wollten zu Recht keine doppelte Miete bezahlen. Der Verkäufer ist Insolvenz gegangen, war auch nicht greifbar. Und das war es dann mit meiner Renten-Absicherung. Darüber bin ich noch heute traurig. Wie Menschen andere Menschen so betrügen können. Das ist hart.

Sie haben sehr viel verdient, aber nie auf den Putz gehauen…

Das stimmt. Natürlich ist die Gage schön, um sich das Leben schöner zu machen. Eine gemütliche Wohnung, gutes Essen, Bücher, kleine Reisen. Deshalb sage ich auch nicht, dass Geld nicht wichtig ist. Aber ich habe es nicht raus geschleudert oder eben hoch spekuliert. Und mein kleiner Versuch mit der Renten-Absicherung ist ja kläglich in die Hose gegangen.

Die Show-Branche ist teilweise hart. Sie haben eine feinfühlige Ausstrahlung…

Wenn Sie damit meinen, dass ich selbst nicht hart bin, kann ich dem nur zustimmen. Und es stimmt auch, dass Ellbogen-Kämpfe oder Brüllen und Schreien nichts für mich sind. Man kann auch mit leiseren Schritten durch die Show-Branche gehen. Jedenfalls damals. Heute ist ja alles etwas lauter geworden.

Gehen Sie mit leisen Schritten, weil Sie als Kind vier Jahre im Gips-Bett lagen?

Oh, guter Vergleich. Nein, ich glaube nicht. Ich hatte einen Geburtsfehler. Mein rechtes Bein war kürzer und nach innen gedreht. Zum Glück hat meine Mutter das frühzeitig erkannt. Also konnte noch etwas getan werden. Ich kam in ein Gips-Bett. Aber als Kind registriert man das nicht so. Ich wurde liebevoll umsorgt und später konnte ich ja laufen.

Trotzdem haben Sie nie große Sprünge in Ihrem Leben gemacht…

Hm. Ich habe den großen Sprung zum Sänger geschafft. Finde ich. Denn ehrlich gesagt weiß ich gar nicht, was ich sonst geworden wäre. Singen hat mir schon immer Spaß gemacht. Und wenn man dann noch Applaus bekommt und damit Geld verdient und sich in dieser Art von Leben gut aufgehoben fühlt, ist das doch wunderschön. Ich bin dem lieben Gott dankbar.

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Petra Cichos / Interview aktualisiert September 2013

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