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Ingrid van Bergen Interview

Petra Cichos, Telefon: 01712031359, E-Mail: info@cichospress.de

Exklusiv

Ingrid van Bergen Interview

  • Ich bin ein Stehaufmännchen
  • Ich habe keine Todesangst mehr
  • Für mich gab´s nie eine Besetzungs-Couch
  • Ich wollte mich umbringen
  • Ich leide immer noch unter dem Tod meiner Tochter
  • Ich will kein Pflegefall werden
  • Mein Tod soll ganz schnell gehen

15. September 2010

Letztes Jahr lagen Sie auf der Intensivstation. Die Bauchspeicheldrüse….

Ja, ja, aber ich habe mich mal wieder aufgerappelt und weiter gespielt. Das war wichtig. Ich bin eben ein Stehaufmännchen. Und jetzt geht es mir wieder gut - und auch das ist wichtig. Ich bin ein Typ, der niemals auf gibt. Und das habe ich glaube ich auch schon bewiesen. Also nach vorne schauen - mehr nicht. Jammern und Jaulen gilt nicht.

Aber es war doch lebensgefährlich…

Ja und? Daran sollte man nicht denken. Jedenfalls ich nicht. Todesangst kenne ich nicht. Jedenfalls nicht mehr. Jedenfalls nicht mehr seit ich mit meiner Familie dem Untergang der Gustloff entkommen bin. Das hat geprägt. Außerdem nehme ich mich nicht wichtig und damit nehme ich auch meinen Tod oder mein Lebensende nicht wichtig. Viel wichtiger ist es sich um das Leben der Tiere zu kümmern.

Sie haben immer noch ihren Tier-Bauernhof in der Lüneburger Heide?

Ja, obwohl ich viele Tiere abgeben musste. Das tat und tut weh. Aber meine Freundin Marianne ist ja im März verstorben und alleine - auch wenn ich viele Hilfe von Freunden und Freundinnen habe - schaffe ich es nicht mehr. Das musste ich einsehen. Trotzdem gebe ich nicht auf. Aufgeben gilt niemals. So bin ich erzogen, so bin ich geprägt. Man darf sich weder fallen lassen noch Dinge nicht tun, die getan werden müssen.

Das hört sich sehr diszipliniert, ja streng an….

Mag sein, aber es nützt ja nichts. Man ist für sein Leben allein verantwortlich. Ich selbst muss vor mir gerade stehen, in den Spiegel schauen. Schuld anderen zu geben oder Hilfe zu erwarten - das zählt nicht. Aus eigener Kraft etwas zu erreichen - das ist doch schön. Sicher hätte ich es mir manchmal leichter machen können. Aber das wäre gegen meine Natur gewesen.

Zum Beispiel?

Zum Beispiel beruflich. Ich hätte mit so manchem Regisseur oder Produzenten ins Bett hüpfen können um die Karriere-Leiter etwas leichter zu erklimmen. Das habe ich aber nie, nie gemacht. Und darauf bin ich stolz. Für mich gab´s nie eine Besetzungs-Couch. Weil ich es nicht wollte. Wobei ich jetzt die Damen nicht kritisieren möchte, die es gemacht haben. Das musste oder muss jeder selbst wissen und mit sich vereinbaren.

Sie hätten es leichter gehabt?

Ach, was heißt schon leicht? Im Gegenteil. Wenn ich die Rolle übers Bett bekommen hätte, hätte ich mich gar nicht so auf die Rolle freuen können oder sie spielen können. Denn dann hätte ich mich schlecht gefühlt, mich selbst abgelehnt, ja, mich selbst verurteilt. Das wäre charakterschwach von mir gewesen. Und wer möchte schon gerne mit dem Gefühl leben, dass man charakterschwach ist? Ich jedenfalls nicht.

Waren Sie immer charakterstark?

Hm? Nein, natürlich nicht. Damals, als ich im Affekt meinen Lebensgefährten erschossen habe und vor dem Prozess in die Psychiatrie musste, war ich mehr als schwach. Ich wollte mich aufgeben und habe an Selbstmord gedacht. Ich wollte mich umbringen - ja. Aber dann habe ich die wirklich kranken Menschen in der Psychiatrie gesehen und gedacht, dass diese Menschen sich kaum selbst helfen können. Aber ich, ich kann es schaffen mir selbst zu helfen. Ich darf keine Angst haben. Angst macht schwach. Ich muss es schaffen.

Und es ist Ihnen gelungen…

Ja, aber es war hart. Der Medienrummel damals. Ich war ja plötzlich die Böse, die Mörderin, die Teufelin. Meine Person war absolut negativ besetzt. Meine Karriere war am Ende. Privat war ich am Ende. Dann war ich ja fünf Jahre im Gefängnis. Als ich raus kam, ging der Medienrummel - dass Spießruten laufen wieder los. Das war hart, hat mich aber nicht umgebracht. Und wie man sieht, lebe ich heute noch.

Viele werden im Gefängnis gläubig, tun Busse…

Ach, der Glaube hilft da auch nicht viel. Außer, dass man an sich selbst glaubt, sich selbst aus dem Sumpf raus zieht. Wieder von vorne anfängt. Sich nicht unterkriegen zu lassen. Da helfen keine Gebete oder das Vertrauen an ein höheres Wesen. Das würde ja vielleicht auch lähmen. Nein, ich kann da nur an mich glauben. Ich halte auch nichts von diesen ganzen Therapien. Ein Therapeut müsste ja vorher so wie ich auch in meiner Haut gelebt haben. Das hat er aber nicht, also kann er doch gar nicht analysieren, was mit mir ist oder eine Lösung finden.

Therapien sind also nicht gut?

Für die, die wirklich krank sind. Aber für die, die nur jemand zum Reden brauchen, die sich nicht selbst auf den Hosenboden setzen und etwas tun - für die hat die Therapie ein Alibi-Funktion und ist so herrlich bequem und einfach. Ganz Hollywood rennt ja zu den Psycho-Meistern. Das ist ja auch schick und kommt gut an. Und man kann so herrlich darüber reden und sich in den Mittelpunkt stellen. Alles Show. Alles ein Ego-Trip. Na ja, wer es braucht.

Woher nehmen Sie Ihre Kraft?

Das Leben hat mir diese Kraft abgefordert. Das war schon in meiner Kindheit so. Der Krieg, die Flucht, der frühe Tod meines Vaters, das Gustloff-Erlebnis, der Beruf, meine Ehen, meine Kinder, das Gefängnis und jetzt die Verantwortung gegenüber meinen Tieren. Richtig locker und leicht hatte ich es nie. Aber das war und ist nun mal mein Weg. Ich glaube, dass dieser auch vorbestimmt war und ich würde übrigens diesen Weg wieder gehen.

Das ist ja hart. Kein Hadern mit dem Schicksal?

Nein. Außer natürlich der frühe Tod meiner Tochter. Als Carolin an Krebs verstarb habe ich das ganz bestimmt nicht als vorgegeben gesehen und es leicht und locker genommen. Im Gegenteil. Da bin ich wirklich in ein Loch gefallen und wusste nicht wie ich da raus komme. Nur, da kann einem ja auch niemand helfen. Natürlich haben mir Freunde geholfen und mich getröstet. Aber dieser Schmerz war nicht trostfähig. Das ist das Schlimmste, was einer Mutter passieren kann. Da bin ich heute noch nicht drüber weg. Was das betrifft - da leide ich immer noch. Auch unter dem Tod meiner Freundin.

Was ist, wenn Ihnen jetzt etwas passiert?

Was soll dann passieren? Entweder bin ich dann weg von dieser Welt - oder aber ich weiß, dass mich gute Freunde auffangen werden. Dass sie sich kümmern werden. Dass sie mich nicht fallen lassen. Ein Pflegefall will ich natürlich nicht werden. Wer will das schon? Wenn, dann soll es ganz schnell gehen. Aber ich möchte mit dem Bewusstsein gehen, dass die Tiere versorgt werden. Sie können sich nicht gegen ein unwürdiges Dasein wehren. Ich schon. Ich habe es immer versucht.

Petra Cichos

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