Heiner Lauterbach: Treu sein kann so schön sein. / Interview
HEINER LAUTERBACH Interview
· Ich hatte Todesangst
· Für meine Kinder würde ich alles tun
· Ich habe keine Angst vor dem Alter
· Treu sein kann so schön sein
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Interview
Herr Lauterbach, in Ihrem neuen Buch “Mann lebt nur Zweimal”, schreiben Sie sehr liebevoll über ihre Familie…
Weil ich meine Frau und meine Kinder über alles liebe. Manchmal braucht man keine Anleitung zum Glück. Manchmal und oft steckt es im Alltag. Schon morgens, beim gemeinsamen Frühstück. Oder abends, wenn die Kinder dann im Bett sind und schlafen. Ich könnte meine Kinder stundenlang beim Schlafen betrachten.
Für Ihre Kinder könnten Sie alles tun?
Was heißt alles? Natürlich werden sie nicht von oben bis unten verwöhnt oder bedient. Wir erziehen sie mit sehr viel Liebe und Werte-Vermittlung. Das gelingt uns, glaube ich sehr gut. Natürlich kann man seine Kinder nicht vor allen Gefahren schützen, aber schutzvoll auf das Leben vorbereiten.
Ihre Kinder dürfen in der Woche kein Fernsehen schauen…
Natürlich gibt es manchmal auch Ausnahmen. Aber auch da achten wir darauf, was sie schauen. Und da sie es auch nicht anders kennen, gibt es keine großen Diskussionen. Am liebsten habe ich es, wenn sie draußen in der frischen Luft spielen. Und da auch mit sich selbst, also sich selbst etwas einfallen lassen. Ohne großes Spielzeug.
Sie wohnen an einem See…
Wo es schön ruhig und unhektisch ist. Natürlich ist mir bewusst, dass wir in gewisser Weise privilegiert sind. Das Haus, das Grundstück, der See, die Ruhe, die frische Luft. Aber vor allem, weil ich als Vater relativ oft und beständig daheim bin. Auch dass meine Frau nicht im Job-Getriebe ist. Wir also für unsere Kinder immer da sind.
Ihre zehnjährige Tochter Maya hatte ihre erste Schauspiel-Rolle…
Ja, sie hat es auch sehr souverän gemeistert. Es war aber nicht so, dass sie ins kalte Wasser gesprungen ist. Sie hatte vorher Work-Shops und sich sehr gut und mit Verstand vorbereitet. Wir haben sie weder gezwungen, noch beeinflusst. Aber natürlich begleitet. Maya kann und darf ganz alleine entscheiden, ob sie diesen Weg weiter gehen möchte.
Keine Angst, dass Ihre Tochter in der manchmal harten Schauspiel-Branche untergeht?
Man kann in fast jeder Branche untergehen. Davor ist nie jemand gefeit. Das sieht meine Tochter ganz realistisch. Wichtig ist vorrangig erst einmal, dass sie Spaß und Freude hat. Dass man aber auch etwas tun muss. Talent alleine genügt nicht. Die berühmten Worte wie Fleiß und Disziplin sind für jeden Beruf wichtig.
Sie selbst sind ja auch sehr diszipliniert…
Hm, das ist relativ. Aber wenn ich eine Aufgabe übernehme, muss und bin ich es natürlich. Zum Beispiel kam ich mit dem neuen Buch in etwas Zeitverzug. Also habe ich zehn Stunden am Tag am Computer gesessen. Für das Buch habe ich drei Monate gebraucht. Das Buch davor, meine Autobiografie, fast vier Jahre.
Das erste Buch war Ihr wildes Leben. Das neue Buch Ihr ruhiges Leben…
Wobei ruhig nicht langweilig heißen muss. Im Gegenteil. Ich habe gelernt zu genießen. Auch die Ruhe, auch den Alltag, auch geordnete Bahnen. Ich beschreibe ja in dem Buch zum Beispiel auch die Vorteile der Treue. Wie schön es ist, wenn man keine Geheimnisse voreinander hat.
Ihre Frau Viktoria und Sie haben keine Geheimnisse voreinander?
Nein. Sie kann zum Beispiel alle SMS und E-Mails von mir lesen. Wobei ich mir sicher bin, dass sie es gar nicht tut. Warum auch? Sie ist meine Frau. Wir regeln alles zusammen. Sie weiß wo ich bin und was ich mache. Sie erledigt alles Finanzielle, die gesamte Buchführung und managt mich. Es gibt keine Basis, keinen Platz für Lügen.
Das war in Ihrem vorherigen Leben anders…
Das beschreibe ich auch ehrlich in meinem Buch. Dass ich früher schon zusammen gezuckt bin, wenn nur das Telefon geklingelt hat. Von null auf hundert in drei Sekunden war dann die Devise, kleiner Spurt vom Sofa, um mögliches Unheil abzuwenden. Außerdem war ich immer ein schlechter Lügner.
Sie waren ein schlechter Lügner?
Frauen haben ja die Begabung ihre Reviere zu markieren. Der Lippenstift am Hemdkragen. Blonde Haare am Pullover oder Zettelchen in der Jacken-Tasche. Die Palette wäre lang. Ergebnis: Heilloser Stress, noch mehr Lügen, Panik und letztendlich immer ein schlechtes Gewissen. Eigentlich hat mich das immer belastet.
Sie haben es selbst geschafft, sich von dieser Last zu befreien…
Ja. Ich habe damals die Reißleine gezogen. Zur richtigen Zeit und im richtigen Moment. Und zur richtigen Zeit und im richtigen Moment ist mir Viktoria begegnet. Sonst wäre der Abgrund nicht weit gewesen. Besonders körperlich. Es wäre bestimmt nur noch ein paar Monate oder ein Jahr gut gegangen.
Es gibt in Ihrem Buch das Kapitel: Alkohol-Diät…
Ja. In meiner harten Phase habe ich mir zum Beispiel oft kleine Alkohol-Verstecke für Mini-Underbergs gesucht. Natürlich habe ich nicht von einem Tag auf den anderen aufgehört zu trinken. Aber mehr als kräftig reduziert. Beim Entzug hat man morgens kalten Schweiß auf der Stirn, Kreislaufstörungen, Hände zittern, Schwindel-Anfälle, Todesangst.
Todesangst?
Ja – körperliche Todesangst. Man weiß ja nicht so genau, was da gerade im Körper oder mit dem Körper passiert. Allein das Herzrasen verursacht Panik. Andererseits darf man diesen Entzug nicht mit Drogen-Entzug verwechseln. Der ist tausendmal grausamer. Den Alkohol-Entzug verkraftet und verarbeitet der Körper relativ schnell und gut.
Sie haben es ohne ärztliche Hilfe, ohne Therapie geschafft?
Jeder muss für sich selbst entscheiden, was er sich zutraut, schafft und kann. Man darf sich nur nicht selbst belügen. Zum Beispiel hatte ich dann nur Wein-Schorle getrunken. Nur, denn letztendlich waren es so viel, dass ich auch gleich ne Flasche Wodka hätte trinken können. Schöner Selbst-Betrug. Also habe ich angefangen Tage ohne Alkohol zu verbringen.
Und das ging?
Ja. Denn so kann man das Endziel vor sich hin schieben, sich sagen: okay heute trinkst Du nichts. Vielleicht morgen. Morgen kann man sich sagen, okay, Du hast gestern den Tag geschafft, dann schaffst Du den heute auch. Vielleicht morgen ein Schlückchen und so weiter. Heute trinke ich entspannt mal ein Glas Wein – und das war´s.
Heute treiben Sie Sport, leben mehr als gesund…
Damals habe ich mir über meine Gesundheit keine großen Gedanken gemacht. Wobei ich nicht zum Gesundheits-Fanatiker geworden bin. Aber es ist schon ein sehr schönes Gefühl, dass ich mich mit meinen 60 Jahren fitter bin und fühle, als mit vierzig. Fünf Mal in der Woche Sport, frische Luft, gesundes Essen. Und das Körper-Gewicht stimmt auch.
Sie wirken richtig asketisch…
Ich lebe aber nicht wie ein Asket. Natürlich lasse ich auch mal alle fünf gerade sein. Mache dann eben mal kein Sport oder nasche auch mal. Es darf ja nicht zum Stress ausarten. Andererseits: Sport ist ja körperliche Ertüchtigung. Und man muss schon tüchtig sein. Ein Extrem-Sportler bin ich allerdings nicht.
Angst vor Krankheiten?
Sagen wir so: Hygiene und Sauberkeit ist mir wichtig. Man muss ja Krankheiten nicht provozieren. Bei unseren Kindern achten wir ja auch darauf. Es erleichtert einfach das Leben. Genauso wie Ordnung. Ich habe einfach keine Lust lange nach etwas zu suchen oder mich im Chaos zu verzetteln.
Haben Sie auch alle anderen Dinge geregelt? Wie zum Beispiel eine Patienten-Verfügung?
Das mit der Patienten-Verfügung haben wir in der Tat vor – ja. Das sehen wir ganz vernünftig. Man ist nie im Leben vor gewissen Dingen gefeit. Meine Frau und ich können uns hundert Prozent aufeinander verlassen. Auch das ist ein schönes Gefühl. Gegenseitige Verantwortung, gegenseitiges Vertrauen.
Haben Sie Angst vor dem Tod?
Darüber mache ich mir keine Gedanken. Das ist auch zu müssig. Ich habe auch keine Angst vor dem Alter. Im Gegenteil. Ich stehe auch zu meinem Alter. Und was ist überhaupt alt? Der Ausdruck ist immer so negative besetzt. Es gibt sehr viele Vorteile des Alters. Eine andere Einstellung. Eine andere Lebensweise. Und das ist auch gut so.
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Petra Cichos / Juni 2013