Janine Kunze: Ich wurde als Baby weggegeben
Comedy-Star Janine Kunze Interview
· Meine Adoptions-Eltern sind meine wahren Eltern
· Ich habe keinen Kontakt zu meiner leiblichen Mutter
· Als Baby hat mich meine Mutter weggegeben
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Janine, der Titel Ihrer Buch-Biografie heißt: „Geschenkte Wurzeln“…
Ja, weil mir meine Wurzeln sozusagen geschenkt wurden. Ich selbst wurde ja mit 6 Tagen von meiner Mutter im wahrsten Sinne des Wortes abgegeben und wuchs dann später in einer, meiner, Pflegefamilie auf. Man hat mir also neue Wurzeln geschenkt. Und die waren mehr als liebevoll.
Sie reden von Ihren Pflege-Eltern…
Ja. Sie sind meine wahren Eltern, meine wahre Familie. Wobei ich gegen meine leibliche Mutter keinen Groll hege. Sie konnte und wollte zum damaligen Zeitpunkt keine Mutter sein. Und letztendlich war es besser, dass sie mich zu Eltern gegeben hat, die sehr gerne meine Eltern sein wollten. Die wahre Liebe empfunden haben.
Und auch Verantwortung…
Genau. Meine leibliche Mutter hat damals die Verantwortung nicht gespürt. Erst als ich 14 Jahre alt war, wollte sie mich plötzlich wieder ganz zurück haben. Denn da hatte sie meinen Vater geheiratet und wollte mich der Pflegefamilie wieder weg nehmen. Aber da habe ich auf stur geschaltet. Im Gegenteil, ich wollte von meinen Pflege-Eltern adoptiert werden.
Wie und wann haben Sie denn überhaupt erfahren, dass Sie ein Pflegekind sind?
Das kam fließend. Meine Mutter hatte ja den Kontakt zu mir nie abgebrochen. Sie kannte meine Pflegefamilie und hat mich öfter abgeholt. Als ich klein war, habe ich das ja noch nicht so richtig begriffen. Irgendwie zwei Mütter zu haben. Erst später ist es mir bewusst geworden. Aber da war die Verbindung zu meinen Pflege-Eltern sowieso tiefer als zu meiner Mutter.
Schmerzt es Sie, wenn man sagt, dass Ihre Mutter Prostituierte war?
Ich sehe das abstrakt. Ich verurteile meine Mutter ja auch nicht. Sie war damals 20 Jahre alt und hatte sich für diesen Lebensweg entschieden. Obwohl sie es so gesehen gar nicht nötig gehabt hätte. Sie kam aus einem guten Elternhaus. Ihre Mutter, meine Oma hat mich zum Beispiel sehr geliebt und hatte Kontakt zu mir.
Wie liefen damals die Besuche Ihrer Mutter ab?
Wenn Sie in der Stadt war rief sie an. Meine Pflege-Eltern waren unglaublich tolerant und diplomatisch. Sie haben es immer zugelassen und in keiner Weise gezeigt, dass sie es vielleicht gar nicht mochten. Sie wollten mich schützen, mich nicht verwirren. Meine Mutter kam dann und ich habe beziehungsweise musste dann auch bei ihr übernachten.
Wie war das für Sie?
Komisch. Instinktiv war es komisch. Natürlich hat mich meiner Mutter dann auch teilweise sehr verwöhnt. Geschenke und Dinge machen, die ich sonst nicht so durfte. Zum Beispiel langes Fernsehen. Ich fand das zwar gut, aber meine richtige Mutter war für mich meine Pflege-Mutter. Da biss die Maus keinen Faden ab.
Hat Ihnen Ihre Mutter jemals gesagt, warum sie Sie als Baby weggegeben hat?
Eigentlich nie so richtig. Ich habe aber selbst auch gar nicht so intensiv und deutlich gefragt. Ich war und bin ja auch nicht voller Hass ihr gegenüber. Durch die Trennung fehlte uns einfach ein Verband, ein Verbund. Es gab und gibt keine tiefe emotionale Verbindung zwischen uns, wie es nun mal bei liebevollen Familien-Mitgliedern ist.
Nie richtig ausgesprochen?
Der große Bruch kam eigentlich ja auch, als ich 14 Jahre alt war. Als meine leiblichen Eltern dann plötzlich mich wieder haben wollten. Auch die Art war unschön. Mein leiblicher Vater hatte sehr viel Druck gemacht. Bis meine Pflege-Eltern und ich beschlossen, dass diese mich adoptieren, damit Ruhe ist. Das Gericht entschied sich aber damals dagegen.
Warum entschied sich das Gericht damals anders?
Ich sollte im Beisein meiner Mutter vor Gericht aussagen, warum ich lieber bei meinen Pflege-Eltern bin. Heute würde man so etwas nicht mehr machen. Denn es ist unglaublich belastend gegenüber der leiblichen Mutter zu sagen, dass man sie nicht will. Ich war so geschockt, dass ich gar nichts sagen konnte.
Also entschied sich das Gericht für Ihre leibliche Mutter…
Das Gericht entschied sich, es so zu belassen, wie es ist. Aber für ein Pflegekind sind solche Entscheidungen teilweise grausam. Es weiß nicht so richtig wo es hin gehört. Man ist ja dann letztendlich nur Pflegekind. Kein richtiges anerkanntes Kind. Trotz der Liebe meiner Pflegeeltern zu mir, hat mich das natürlich auch zerrissen. Gerade in der Pubertätszeit.
Als Sie 18 Jahre alt waren, konnten Sie endlich adoptiert werden…
Ja, ohne Zustimmung meiner leiblichen Mutter. Ich wollte es für mich regeln. Ich wollte einen Schlusspunkt setzen. Das war auch sehr gut. Das ist ja im Prinzip wie bei einer Heirat. Man bekennt sich dann mittels Urkunde dazu. Obwohl es nur ein Stück Papier ist. Aber es war wichtig für mich.
Was hat Ihre leibliche Mutter dazu gesagt?
Nach der Adoption hat meine Mutter nochmals versucht mit mir Kontakt aufzunehmen. Aber ich habe mich gefragt, warum? Also für mich warum? Denn durch die Adoption, durch diese Zeichensetzung, fühlte ich mich erst recht nicht mehr als ihre Tochter. Ich habe liebevolle Eltern, die alles für mich getan haben.
Kein Kontakt mehr zur leiblichen Mutter?
Nein, es war ja auch wie gesagt nie eine tiefe Beziehung. Meine Pflege-Eltern haben mich beschützt und gehütet. Sie haben mich versorgt und mir unendlich viel Liebe und Stärke gegeben. Sie haben mich erwachsen gemacht und meine Stärken und Talente gefördert. Durch sie bin ich so geworden, wie ich jetzt bin.
Sie sind gut geworden…
Ha, das müssen andere einschätzen. Aber ich bin ganz zufrieden mit mir. Ich bin mit mir im Reinen. Ich habe einen tollen Mann, drei tolle Kinder, einen wunderschönen Beruf. Gesundheitlich geht es mir auch gut und mein Gehirn funktioniert auch einwandfrei. Und wenn ich in den Spiegel schaue, drehe ich mich vor Schreck auch nicht um.
Eigentlich ein schönes Happy End…
Ein bisschen kitschig hm? Aber eigentlich stimmt es ja. Deshalb habe ich auch das Buch geschrieben. Bei Pflegekindern besteht ja oft die Gefahr, dass sie durch die Weggabe ihrer Eltern dann selbst Schuld-Gefühle entwickeln. Unter dem Aspekt: Ihr wolltet mich nicht. Ich bin schlecht, ich war und bin nichts wert.
Hatten Sie auch solche Gefühle?
Etwas in der Pubertät. Aber da stellt man ja einige Dinge in Frage. Das ist ganz normal. Natürlich hatte ich auch Glück solche tollen Pflege-Eltern zu haben. Auch in der Schule war ich keinen Gehässigkeiten oder dummen Sprüchen ausgesetzt. All das spielt natürlich eine Rolle und mir ist sehr bewusst, dass es einigen anderen adoptierten Kindern nicht so gut ging.
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